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ehemals Württembergischer Verein zur Förderung der humanistischen Bildung e.V.

Donnerstag, 2. Juli 2015

GARUM in Heidelberg?

garum-Amphore

Über römische Fischsoße garum bzw. liquamen ist bereits viel geschrieben worden. Für heutige Geschmacks- und Hygienegewohnheiten mutet diese Fischsoße recht "exotisch" an, für antike Römer weniger - sie war in vielerlei Qualitätsstufen vorhanden und wurde reichlich genossen. Der bekannteste römische Koch, Apicius, benutzt sie beinahe ständig in seinen Gerichten. Als aromatischer Salzersatz ist sie nahezu überall in der römischen Küche zu finden.
Doch wer hätte gedacht, dass sie in besonders guter Qualität von Marokko aus bis nach Ladenburg (bei Heidelberg) verkauft wurde? Anscheinend hatte sich die provinzialrömische Oberschicht im fernen Germanien selbst bei speziellen Geschmackserlebnissen auf die römische Tafelkultur eingestellt...
In einem aktuellen Artikel berichtet Arndt Krödel in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 06./07.06.2015 über eine Amphore, die bei Heidelberg zu bestaunen ist, genauer, im Lobdengau-Museum in Ladenburg:


"Wie die Fischsoße nach Ladenburg kam

Archäologe Andreas Hensen entschlüsselt die Aufschrift einer antiken Amphore

Sie wissen nicht, wo Lopodunum liegt? Gar nicht weit von hier. Es ist der Name, den die Stadt Ladenburg in ihrer römischen Vergangenheit trug. Damals, im zweiten und frühen dritten Jahrhundert nach Christus erlebte die ehemalige Kastellsiedlung ihre Blüte als Stadt, was sich an vielen archäologischen Funden zeigen sollte. Dazu zählt eine gut erhaltene Amphore, ein großes zweihenkliges Tongefäß, das dem Transport und der Lagerung unterschiedlicher Güter diente.
Ausgestellt ist es im Ladenbuger Lobdengau-Museum. Wie dessen Leiter, Archäologe Dr. Andreas Hensen, in  der von der Universität Heidelberg veranstalteten Vortragsreihe "Akademische Mittagspause" in der Peterskirche berichtete, brachte es die römische Amphore zu einiger Prominenz: Sie ist häufig Gegenstand von Leihanfragen anderer Museen für deren Ausstellungen. Seit zwei Jahrhunderten werden die Reste des antiken Lopodunum im Bereich der Ladenburger Altstadt durch intensive archäologische Ausgrabungen erforscht.
Die Amphore wurde 1981 an der Westseite des römischen Marktplatzes aus einem einfachen Erdkeller geborgen, der zu den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden gehörte. Das Gefäß besitzt eine Höhe von etwas mehr als einem Meter, hat einen langestreckten, zylindrischen Hals und zwei eng anliegende Henkel sowie einen lang ausgezogenen, spitzen Standzapfen, erläutert der Wissenschaftler.
Interessant wird es beim sogenannten "titulus pictus", einer mit schwarzer Tusche oder Tinte aufgetragenen Pinselaufschrift im Halsbereich: Zwar stark verblasst, ist sie dennoch zweifelsfrei zu entziffern und gibt mit ihren Informationen einen Einblick in die antike Handelsgeschichte. Der Behälter verließ einst nach langer Reise, die im heutigen Marokko begann und entweder an der Atlantikküste entlang durch den Ärmelkanal oder durch das Mittelmeer und das Rhonetal verlief, im Ladenburger Neckarhafen das Transportschiff. Sein Inhalt: eine vier Jahre gereifte Würzsoße aus dem seltenen jungen Thunfisch, bei den Römern unter dem Namen "Garum" als Standardgewürz sehr beliebt und einer gehobenen Qualitätsstufe zugehörig.
Wie der Archäologe weiter berichtete, wurde die Soße in der Stadt Lixus in der nordafrikanischen Provinz Mauretania Tingitana produziert. Was die Aufschrift ebenfalls verrät, ist der Name des Zöllners, das Füllgewicht von 80 Pfund sowie der Name des Großhändlers, der den Beinamen "Philargyrus" trägt. Das könnte man auch als "der Geldgierige" übersetzen - "was ja auch zur Profession des Händlers gut passen würde", wie Hensen schmunzelnd feststellte. Die Amphore mit Fischsoße erster Güte sei auch ein Beleg für die ökonomischen Möglichkeiten zumindest eines Teils der Bevölkerung von Lopodunum und deren Anpassung an die gehobenen Standards der römischen Tafelkultur."
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Lobdengaus-Museums,
alle Bildrechte vorbehalten


Den breitesten wissenschaftlichen Überblick über den Handel mit Fischsoßen und gesalzenem Fisch bietet der Sammelband von Emmanuel Botte, Victoria Leitch (Hrsg.), Fish & Ships: Production and Commerce of 'salsamenta' during Antiquity. Production et commerce des 'salsamenta' durant l'Antiquité. Actes de l'atelier doctoral, Rome 18-22 juin 2012​. Arles, Aix-en-Provence 2014 (239 Seiten, ISBN 9782877725798 für 39€), kürzlich rezenziert in der Bryn Mawr Classical Review vom 02.07.2015 (Im Rezensions-Blog: BMCR2015.07.02).

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